Wenn ein Trauma über dich hereinbricht

Veröffentlicht am 6. März 2023 um 22:24

„SEIT“ -Panik, oder: wenn ein Trauma über dich hereinbricht

Im Inneren tobt es. Atmen, nur ganz flach, keine tiefen Atemzüge.
Nur nicht bewegen, damit zumindest der Zustand erhalten bleibt, in dem man jetzt ist.
Alles andere, jede weitere Verschlechterung, würde apokalyptische Zustände auslösen.
Man möchte weinen, aber wagt es nicht. Aushalten, Durchhalten.
In ein paar Minuten wird es wieder besser. Dann ist es nur noch der Weltuntergang, wenig später ein
harmloses Gewitter und es bleibt es bewölkt. Bewölkt ist das neue Schönwetter.
Die Stimmung ist gespannt und die Luft knistert wie geladen. Wenn man sich zu früh in Sicherheit wiegt
und wagt sich zu freuen, braucht es nicht viel und ein weiterer Sturm bricht los.
Der Sekundenzeiger tickt laut vor sich hin. Er ist in diesem Moment wie ein bester Freund. Beweg dich,
mach schneller, damit die Zeit um ist und man atmen kann, darf.
Diese Zustände hat Sie, SEIT. Dieses Seit lässt Sie nachts nicht mehr durchschlafen, es beraubt Sie ihrer
Träume, Ihrer Gegenwart. Es macht Ihre Haare grau, das Gehirn hyperaktiv, die Haut aschig, die Augen
trüb und das Gesicht verschwollen. Seit, stiehlt Ihr Sein.
Die dunklen Sturmwolken beginnen abzuziehen, Atemluft füllt die gierigen Lungen, das Herz beruhigt
sich.
Die Schläge im Brustkorb erinnern erneut an den Sekundenzeiger. Dieser Takt, die Schläge, sind keine
Freunde. Sie klopfen immer noch zu laut, zu bedrohlich. Erinnern. Der Kreislauf beginnt von vorne.
„Seit“, leider kennen sehr viele Menschen diesen Zeitpunkt, den man auf die Sekunde beschreiben kann.
Das Ereignis, der Moment in dem sich das Leben grundlegend und unabänderlich, für die Zukunft ändert.
Ein Auslöser, den man nie vergisst und auch nie mehr loswird.
Er haftet wie Honig an der Haut. Er lässt sich nicht abwaschen, wie sehr man sich auch abmüht.
Dieses Seit lässt Freundschaften und Beziehungen zerbrechen, Arbeitsplätze verlorengehen, gefühlt den
Verstand verlieren, die Gesundheit beeinträchtigt zurück.
Angst, Panik, depressive Verstimmungen können einige der Folgen des Seit´s, sein.
Die Anzeichen kommen kaum sofort. Oft schleichen sie sich über Wochen, Monate oder gar Jahre, ein.
Sei es, weil man das Ereignis verdrängt und ignoriert, oder weil man schlicht nicht weiß, wie man damit
umgehen soll.
Vielleicht ist man zu traurig um sich damit auseinanderzusetzen, oder wird dazu gezwungen sich einem
normalen Alltag unterzuordnen, damit zumindest der Schein gewahrt wird.
Manche dieser Seit´s sind auch so dermaßen unfassbar, grausam oder unvorstellbar für uns, dass unser
Gehirn uns und unser Herz, davor schützen möchte. Es kann passieren, dass es entweder vergisst diesen
Schutz wieder aufzuheben, oder nicht weiß, wie er gelöst werden kann, ohne unwiederbringlich Schaden
anzurichten.
Unsere Seele jedoch, vergisst nicht. Sie leidet Qualen die wir erst erkennen, wenn es schon sehr spät ist.
Oftmals, wenn ein Trauma zu extrem ist, wäre es kontraproduktiv, unmittelbar danach beispielsweise
eine Therapie zu beginnen. Diesen Schmerz in einem zu kurzem Zeitrahmen nochmals frisch zu
durchleben wäre unsäglich und in der Intensität kaum auszuhalten.
Wenn wir allerdings den Moment verpassen uns dieses Seit nochmal genau anzusehen, um die einzelnen
Splitter die es in unsere Seele geschleudert hat, rauszuziehen, dann kommen andere Mechanismen ins
Spiel.
Dann übernehmen unsere Gefühle, unsere Emotionen und das in aller Deutlichkeit.
Anfangs sind die Signale meist noch relativ harmlos. Man ist müde, antriebslos, launisch, reizbar und so
weiter. Diese Anzeichen, sobald sie länger anhalten oder sich intensivieren, wären ein erstes
Alarmsignal.
Ignorieren wir, leiden wir.
Die Intensität steigt. Die Müdigkeit wird stärker, die Antriebslosigkeit wird lebenshemmend, die Launen
explodieren regelrecht und dann kommt vielleicht noch eine bis dahin unbekannte Aggression gegen sich
selbst hinzu. Man weiß nicht woher diese Gefühle kommen, weil diese sehr gut vergraben wurden.
Aus dem Schutz wird eine tatsächliche Bedrohung. Dies kann immense Auswirkungen haben und diese
führen in viel zu vielen Einzelfällen dazu, dass sich betroffene Menschen sogar dazu entscheiden, ihr
Leben zu beenden. Das ist die extremste Form, aber auch das Dazwischen weckt in manchen Menschen
den Wunsch nie wieder fühlen zu müssen. Gar nichts.
Das Ergebnis, die Auswirkungen sind vielfältig. Suchtmittelmissbrauch, Gewaltausbrüche gegen sich
selbst oder seine Mitmenschen, Wutanfälle und noch viele schwere Worte mehr zeigen uns, dass dieser
Mensch in Wirklichkeit, sehr tief in sich und gut versperrt, leidet.
Der Weg raus aus diesem Labyrinth ist nur allzuoft ein Teufelskreis. Er will beschritten werden, muss es
sogar. Allerdings nicht alleine.
Wenn du dich in Teilen dieses Textes wiederfindest kann und möchte ich dir sagen: Du bist nicht alleine
damit und bitte, hol dir Hilfe.
Es gibt viele Formen der Unterstützung und diese ist wichtig. Schäme dich nicht auszusprechen, dass du
nicht weißt, wie du den Weg beschreiten kannst. Du kannst sicher sein, dass du gehört wirst.
Dieser Text ist auszugsweise Autobiografisch. Der Rest ist ergänzt durch unmittelbare Begleitung von
Menschen in meinem Umfeld denen es so ergangen ist. Mir ist es wichtig meine Stimme zu geben für
diese Tabuthemen. Alles Liebe, Barbara
März 2023


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